Wandern verbindet

Projekt Gipfelglück - unser erstes Kennenlernen

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, geht es im August diesen Jahres mit meinem Projekt "Gipfelglück" hoch hinaus. Mit einer Gruppe Einheimischer und Geflüchteter wollen wir den Großen Krottenkopf erklimmen. Das Wochenende soll ganz im Zeichen von Hilfsbereitschaft, Vertrauen und Freundschaft stehen.

 

Unsere erste Vorbereitungswanderung fand am Samstag statt. Dafür ging es in den  Schwäbischen Wald. Obwohl dieser nur 30 Minuten von uns entfernt liegt, war es für viele eine andere Welt.

 

Eine andere Welt, in der nicht nur die Natur überwältigte, sondern auch das schöne Gefühl, in einer Gruppe Willkommen zu sein.

 

 

Welche Tour soll es sein?

Gar nicht so einfach, auf dem rutschigen Schnee.
Gar nicht so einfach, auf dem rutschigen Schnee.

Von vielen lieben Menschen aus der Bevölkerung, bekamen wir im Vorfeld Spenden in Form von gebrauchten Wanderstiefeln und Rucksäcken. Nachdem wir diese an die Teilnehmer verteilt hatten, ging es mit dem Auto Richtung Spiegelberg im Schwäbischen Wald.

 

Wir suchten im Vorfeld eine Tour aus, die landschaftlich etwas zu bieten hatte, nicht nur auf Forstwegen verlief und somit ein bisschen anspruchsvoll war. Die Strecke vom Grillplatz Denteltal, durch die Bodenbach- und  Tobelschlucht, hinunter zum Hohlen Stein, war mir sehr gut bekannt. Oft kommen wir hier mit unserem Hund zum Wandern her. Schnell waren wir uns einig, dass wir diese Tour mit der Gruppe gehen werden.   

 

 

Offen für Neues

Alle verstanden sich super und wir hatten gemeinsam viel Spaß
Alle verstanden sich super und wir hatten gemeinsam viel Spaß

Bevor wir starteten, machten wir noch ein kleines Kennenlernspiel auf der großen Wiese am Grillplatz. Die teilweise schwierig auszusprechenden Namen der Geflüchteten, sorgten bei allen für großes Gelächter und schnell war das Eis gebrochen. Nach ein paar Durchgängen, blieb dann auch jeder noch so komplizierte Name jedem im Gedächtnis.

 

Voller Vorfreude ging es dann endlich los. Mich freute es besonders, dass gleich zu Beginn viele Gespräche entstanden und jeder aufgeschlossen gegenüber dem anderen war.

 

 

Den Tag genießen

Hand in Hand halfen wir uns gegenseitig über schwierige Stellen
Hand in Hand halfen wir uns gegenseitig über schwierige Stellen

Ich war im Gespräch mit einem 19-jährigen Mädchen. Sie erzählte freudestrahlend, wie glücklich sie sich heute fühlt. "Ich liebe die Natur und die Bewegung", sagte sie, "heute kann ich richtig abschalten und entspannen". Es freute mich sehr, dass zu hören.

 

Ehrlich gesagt war ich Tage davor auch etwas unsicher, ob es gut laufen würde, ob sich alle wohl fühlen und sich auf einander einlassen würden. Mit einem Mal waren meine Bedenken alle verschwunden ich ich konnte den Tag in vollen Zügen genießen. 

 

 

Hilfsbereitschaft

Marcel und Mustafa sprachen sich vor dem Vertrauensspiel gut ab und hatten anschließend keine Schwierigkeiten, beim "blind" laufen.
Marcel und Mustafa sprachen sich vor dem Vertrauensspiel gut ab und hatten anschließend keine Schwierigkeiten, beim "blind" laufen.

Wir waren alle etwas erstaunt, dass hier noch so viel Schnee lag. Manche hatte nur Turnschuhe an, da wir (noch) nicht für alle Wanderstiefel haben. Auf dem rutschigen Schnee war das Vorankommen, vor allem bei Steigungen und Senkungen gar nicht so einfach. Vor allem die Turnschuhträger hatten richtig Probleme.

 

Es war so schön mit anzusehen, wie sich alle gegenseitig helfend die Hände reichten. Berührungsängste? Fehlanzeige.

 

An abschüssigen Stellen blieb immer jemand stehen und half den anderen nach unten. Überall war ein freundliches "Danke" und "Bitte" zu hören. Obwohl bei manchen das Wasser mittlerweile echt im Turnschuh stand, war kein murren oder motzen zu hören. 

 

 

Vertraust du mir?

Kurze Nachbesprechung nach dem ersten Vertrauensspiel
Kurze Nachbesprechung nach dem ersten Vertrauensspiel

Auf einer Hochfläche blieben wir stehen, um das erste Vertrauensspiel zu erklären. Hand in Hand durften zweier Teams die Umgebung erkunden, wobei einer von beiden die Augen geschlossen halten sollte. Aufeinander acht geben, Vertrauen entwickeln, eine "Bindung" eingehen und zulassen sind wichtige Elemente dieser Übung. Jeder ließ sich darauf ein und schnell entstanden interessante Gespräche.

 

Ein junger Syrer erzählte, dass in seiner Verwandschaft ein Mädchen blind sei. Er sei öfters mit ihr früher umher gelaufen. Er gab Tipps, auf was man achten konnte, um es dem "Blinden" angenehmer zu machen.

 

 

Schätzen, was wir haben

Auf schmalen Pfaden ging es durch die Bodenbachschlucht
Auf schmalen Pfaden ging es durch die Bodenbachschlucht

Nach den verschiedenen Übungen versuchten wir über das Erlebte zu sprechen. Teilweise war das aufgrund der Sprache etwas schwierig. Wir merkten aber trotzdem recht schnell, dass sich in den Köpfen etwas in Gang setzte und ein Austausch untereinander statt fand.

 

Eine sagte beim Weiterlaufen beispielsweise: "Wir können so glücklich sein, dass wir die Schönheit der Natur sehen können. Manchmal vergessen wir einfach, was wir haben."

 

 

Unfassbare Momente

Durch die Tobelschlucht ging es recht steil nach unten. Der Boden war übel rutschig und der Schnee nahm an den schattigen Stellen deutlich zu. Ich merkte, wie es einem Mädchen nicht wohl war. Sie griff meine Hand und wirkte irgendwie ängstlich. Plötzlich sagte sie: "Der viele Schnee erinnert mich an die Berge in der Türkei. Das, und das Meer in Griechenland, war meine schlimmste Zeit". Ich war unsicher, sollte ich nach dem genauen Erlebten fragen, oder doch lieber nicht? Ich strich ihr über den Rücken und sagte zu ihr, wie toll sie das hier macht.

 

Dann erzählte sie von sich aus weiter:

"Wir waren 24 Stunden ohne Pause, ohne Essen und Trinken unterwegs. Dann konnten wir nicht mehr. Es war so kalt. Ich habe noch nie etwas kälteres gespürt. Es gab kein Holz in den Bergen, also haben wir unsere Kleidung verbrannt..."

Das Mädchen aus Afghanistan ist jetzt 12 Jahre alt.

 

 

Wollen wir das wagen?

Vorsichtig bewegten wir uns blind auf dem kleinen Pfad
Vorsichtig bewegten wir uns blind auf dem kleinen Pfad

Wir hatten es gemeinsam geschafft, Hand in Hand liefen wir die Schlucht hinunter. Die Alternative des einfachen Forstweges, wollte keiner gehen.

 

Auf den letzten Metern vor dem Ziel, blieben wir auf einem verwurzelten, schmalen Waldpfad stehen. "Wir machen jetzt nochmal eine Vertrauensübung. Dafür habe ich euch diese Augenbinden mitgebracht", stellte ich das Spiel vor.

 

 Ungläubig schauten mich alle an: "Was? auf diesem Weg, blind?"

 

"Wir laufen alle hintereinander her und halten uns an den Schultern unserer/s Vorderfrau/mann fest", erklärte ich weiter. "Sollen wir das zusammen versuchen?"

 

Ein einstimmiges "Ja" war zu hören.

 

 

Ohne Worte

Schaut mal in die Gesichter der Mädels und Jungs - ist das nicht schön :-)
Schaut mal in die Gesichter der Mädels und Jungs - ist das nicht schön :-)

Etwas unsicher zogen sich alle die Augenbinden auf und kurze Zeit später tasteten wir uns mit vorsichtigen Schritten vorwärts. Einige Wurzeln mussten wir überschreiten und sogar einen umgestürzten Baumstamm überwanden wir.

 

Als ich dann stehen blieb und alle die Augenbinden wieder absetzen durften, war es für mich ein unglaublich schönes Erlebnis, in die lachenden Gesichter zu blicken.

Die unsicheren Blicke vom Anfang waren komplett verschwunden. Manchmal bedarf es keiner Worte, um zu sehen wie sich andere fühlen. 

 

 

Wir wurden ein Team

Am Grillplatz "Denteltal" klang der Nachmittag bei bestem Wetter aus
Am Grillplatz "Denteltal" klang der Nachmittag bei bestem Wetter aus

Zurück am Grillplatz, machten wir gemeinsam ein Feuer. Die Jungs holten Holz aus dem Wald und die Mädels trockneten ihre nassen Füße am Feuer. Mit leckerem Essen klang der Nachmittag in fröhlicher, vertrauter Stimmung aus.

 

Aus einzelnen Menschen, die sich an diesem Tag teilweise zum ersten Mal gesehen hatten, wurde eine Gruppe, mit der man Spaß hat und auf die man sich verlassen kann.

 

 

Ein rundum gelungener Tag

Viele lachende Gesichter beim Vertrauensspiel "die Welle"
Viele lachende Gesichter beim Vertrauensspiel "die Welle"

Der passende Abschluss fand mit dem Vertrauensspiel

"Die Welle" statt. Im Foto sieht man die Läuferin, die sich rennend auf die Mauer aus Händen der Anderen zu bewegt. Erst kurz vorher nehmen die Anderen ihre Hände nach unten. Für die Läuferin wirkt es so, als renne sie auf eine Mauer zu, unsicher, ob die Hände auch wirklich weg gehen. Das Ganze hört sich einfacher an, als es ist. Nicht selten kommt man als Läufer kurz vor der "Mauer" ziemlich ins Zögern.

 

Alle rannten durch und alle wurden bejubelt. Mit sehr viel Lachen ging dieser wunderschöne Tag zu Ende.

 

Alle bedankten sich herzlich und ich bin schon mega gespannt und voller Vorfreude auf die anderen gemeinsamen Tage, die noch folgen werden.

Den GPX-Track der Wanderung findet ihr hier:

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Kommentare: 3
  • #1

    Henning (Mittwoch, 28 März 2018 02:23)

    Hach Myri du guter guter Mensch! Großartige Aktion.

  • #2

    romy_wandert (Donnerstag, 14 Juni 2018 15:02)

    Liebe Myriam,

    was für ein tolles Projekt, dass du da auf die Beine gestellt hast! Bin richtig begeistert. Ich bin auch wandernde Bloggerin und Pflege-Mama eines minderjährigen Flüchtlings, der in unserer Familie lebt. Langstreckenwandern ist nicht so seins, aber bei unserer Harz-Tagestouren und bei Klettertouren ist er immer mit dabei und du hast Recht - wandern verbindet.

    Liebe Grüße
    Romy

  • #3

    Myriam (Mittwoch, 11 Juli 2018 21:41)

    Liebe Romy,

    vielen Dank für deinen Kommentar. Ich habe mir gerade deinen Blog angeschaut - sehr schön und sehr inspirierend.
    Ich finde echt toll, was du machst. Weiter so und alles, alles Gute.

    Ganz liebe Grüße
    Myriam

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