Lykischer Weg Etappe 17: von Göynük Yaylasi nach Göynük

Unsere letzte Etappe durchs heiße Herz der Türkei

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 17 von Göynük Yaylasi nach Göynük)
Auf unserer letzten Etappe geht es zum bekannten Göynük Canyon, der mit seinem klaren, türkisblauen Wasser eine willkommene Erfrischung ist.

Unsere letzte Etappe auf dem Lykischen Weg beginnt im Morgengrauen – mit müden Augen, einem schweißnassen Körper und dem Wissen, dass heute ein großes Abenteuer zu Ende geht. Von Göynük Yaylasi führt der Weg hinab durch den wilden, eindrucksvollen Göynük Canyon, vorbei an glasklaren Wasserbecken, steilen Felswänden, unter der erbarmungslosen Sonne der türkischen Riviera. Es wird ein Tag voller Kontraste: zwischen Hitze und Kälte, Anstrengung und Erleichterung, Lachen und Weinen.

 

Der Fund eines mysteriösen Rucksacks im Wald liegt wie ein Schatten auf unseren Gemütern. Wir spüren, was körperliche und mentale Grenzen wirklich bedeuten. 

Am Ende erreichen wir erschöpft, aber glücklich den Göynük Canyon, tauchen in das türkisblau schimmernde Wasser ein und lassen uns treiben – ein Moment, der sich anfühlt als würde uns der Weg selbst noch ein letztes Mal umarmen.

Der letzte Wandertag auf dem Lykischen Weg

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Die Sonne geht langsam über dem Meer auf und weist uns die Richtung.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge starten wir in den heutigen Tag. Neun Tage dieses und acht Tage letztes Jahr sind wir an Steilküsten über dem türkisblauen Meer entlang gewandert, durch das Taurusgebirge gelaufen und haben viele liebenswerte Menschen kennengelernt. Wir sind an unsere Grenzen gekommen und gleichzeitig an diesen gewachsen. Und jetzt stehen wir hier – am Beginn des letzten Tages, an dem sich alles schließt.

 

Unser Wecker klingelt bereits um 5 Uhr morgens, noch bevor der erste Sonnenstrahl die bergige Landschaft berührt. Die Luft steht - warm und schwer. Wir wissen, dass es heute mit über 45 Grad wieder ein besonders heißer Tag wird. Selbst in der Nacht kletterten die Temperaturen nicht unter 33 Grad. Die Hitze klebt seit Tagen an uns, macht das Gehen mühsamer, den Rucksack schwerer und unsere Gedanken langsamer. Aus diesem Grund wollen wir früh los, um der Hitze am Mittag weitestgehend zu entgehen.

 

Ich spüre, wie sich in mir Dankbarkeit und Erschöpfung mischen. So oft habe ich mich auf diesen Moment gefreut, den Lykischen Weg zu finishen. Und doch will ich irgendwie, dass es nicht endet. Annika und ich sind in den Flow gekommen: wandern, essen, Schlafplatz suchen. Mehr gibt es eigentlich nicht zu tun und genau das tut meinem oft überfüllten Kopf richtig gut.

 

Kaffee zum Abschied – Begegnungen auf dem Lykischen Weg

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Die Campingplätze in der Türkei sind oft einfach: überdachte Sitzgelegenheiten, eine notdürftige Toilette, aber oft in einer tollen Lage. Unser Campingplatz "Exolikya" hatte aufgrund der Hitzewelle geschlossen und wir waren ganz alleine.

Noch bevor die Sonne richtig aufgeht, höre ich das Rascheln vom Nachbarzelt. Alexej, ein junger russischer Wanderer kriecht aus seinem kleinen Zelt. Noch etwas verschlafen wünscht er uns einen guten Morgen. Wir hatten den sympathischen, etwas schüchternen Mann gestern Abend kennengelernt, als er ziemlich platt den Weg hinauf stapfte. Er läuft den Lykischen Weg in der entgegengesetzten Richtung und hatte gestern seinen ersten Wandertag.

 

Alexej wollte es sich nicht nehmen lassen, uns heute morgen einen Bio-Kaffee (darauf legte er sehr viel Wert) als Abschied zu servieren. Ein kleiner, fast rührender Moment der Gemeinschaft, irgendwo mitten in der türkischen Wildnis. Als ich ihn frage, wie er geschlafen hat, lächelt er kurz und sagt auf englisch: „Mit einem Messer in der Hand.“ Ich lache, überzeugt davon, dass er einen Scherz macht – aber nein, er meint es tatsächlich ernst. Es war seine erste Nacht im Zelt, und offenbar hat ihn die Dunkelheit hier draußen mehr beschäftigt, als er anfangs zugeben wollte.

 Kein Wunder, denn gestern Abend hatten wir ihm noch von den Google-Bewertungen eines nahegelegenen Campingplatzes erzählt. Einem Ort, an dem der Besitzer laut Berichten zufolge ziemlich aufdringlich und unheimlich gegenüber alleinreisenden Frauen gewesen sein soll. Wir hatten beschlossen, dort nicht zu übernachten und unser Zelt stattdessen auf einem verlassenen Platz etwas weiter unten aufzuschlagen.

 

Während Alexej uns nun Kaffee eingießt, denke ich an seine unruhige Nacht. Manchmal sind es gar nicht die Kilometer, die einen auf dem Lykischen Weg herausfordern. Ich bin gespannt wie er die kommenden Tage erleben wird. Dankbar über diese schöne Begegnung auf dem Trekking genieße ich meinen Kaffee. 

 

Abschied im Morgenlicht – ein Versprechen auf dem Lykischen Weg

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Kaffee-Glück am Morgen: Alexej bereitet uns zum Abschied einen leckeren Kaffee zu.

Der Kaffee schmeckt erstaunlich gut, kräftig und voll – ein echtes Highlight am frühen Morgen. Die Sonne steigt langsam über den Horizont, taucht die Landschaft in ein warmes, goldenes Licht. Gemeinsam mit Alexej sitzen wir auf einem der Holzbänke auf dem verlassenen Campingplatz, umgeben von stiller Weite. Es ist ein einfacher Moment und doch hat er etwas Besonderes und wir genießen ihn in vollen Zügen.

Mein Frühstück dagegen ist weniger ein Genussmoment: Gemüserisotto. Nicht gerade das, was man sich um 05:30 Uhr morgens wünscht. Meine Trekking-Frühstückstüten sind alle aufgebraucht und so bleibt mir nichts anderes übrig, als ein Abendessen zum Frühstück zu essen. 

 

Wir verabschieden uns herzlich von Alexej. Er wirkt verlegen, fast rührend, als er auf englisch sagt: „Es war gut das ihr hier wart, an meiner erste Nacht.“ Ich lächle Annika an und flüstere: „Ich glaube er hatte mehr Angst als wir.“ Wir müssen beide lachen – es ist einer dieser kleinen Momente, die einem den Tag versüßen.

Bevor wir loslaufen, erzählt er uns noch von einem mysteriösen Rucksack, den er gestern mitten im Wald gefunden hat. Vollgepackt, daneben etwas zu essen, aber weit und breit keine Menschenseele. Er wirkt besorgt und bittet uns, Ausschau zu halten. Wenn wir ihn finden und niemand dort ist, sollen wir zur Polizei gehen.

Wir versprechen es ihm, bevor wir uns auf den Weg machen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch starten wir auf unsere letzte Etappe, nicht nicht wissend, dass sich dieses Gefühl Stunden später bestätigen würde.

 

Abstieg in den Göynük Canyon – Abenteuer auf dem Lykischen Weg

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Es geht hinab Richtung Canyon. Der Weg ist an manchen Stellen abgerutscht und der Hang ziemlich steil, was auf dem Foto nicht so rüber kommt.

Die Sonne steht inzwischen etwas höher, das Licht flimmert über der staubigen Piste, während wir langsam bergab in Richtung Göynük Canyon wandern. Anfangs führt uns ein breiter Schotterweg hinunter ins Tal, doch schon bald verwandelt sich der Pfad in einen schmalen, verschlungenen Trail, der durch den schattigen Wald führt.

  

Das letzte Stück hinab zum Canyon ist etwas knifflig. Der Weg ist an einigen Stellen abgerutscht, der Boden lose und steil. Doch wir meistern auch diese Passage mit Ruhe und Konzentration und stehen wenig später unten im Canyon. Die Strecke verläuft abwechslungsreich und abenteuerlich – mal auf der rechten, mal auf der linken Seite des Flussbettes, dann wieder mittendurch. Zu unserer Überraschung ist der Weg mit den bekannten rot-weißen Farben hervorragend markiert. Ganz anders als auf der gestrigen Etappe, auf der wir uns mehrmals verlaufen hatten (hier geht's zum Artikel).

 In meinen Gedanken höre ich noch die Stimme von Ilker, dem türkischen Wanderguide, den wir ein paar Tage zuvor getroffen hatten. Er hatte uns gewarnt: „Passt im Göynük Canyon auf – viele verlaufen sich dort. Es gibt oft Rettungseinsätze. Ich empfehle euch diese Etappen nicht zu gehen.“ Und jetzt? Jetzt stehen wir hier, voller Freude und Staunen, wie gut der Weg doch ausgeschildert ist. Wir springen von Stein zu Stein, lachen, genießen jeden Schritt. Es ist, als hätte dieser Canyon beschlossen, uns einen versöhnlichen Abschluss zu schenken – wild, lebendig und wunderschön.

 

Durch das Wasser – Erfrischung im Göynük Canyon

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Das Wasser im Göynük Canyon reicht normalerweise viel höher. Keine Ahnung wie man dann manche Stellen trocken hätte überqueren können.

Vor uns glitzert das Wasser in der Morgensonne. Eine Stelle des Wanderwegs ist mit einem Seil gesichert, das sich quer über ein Wasserbecken spannt. Hier müssen wir die Schuhe ausziehen und barfuß durchs Wasser waten. Es ist eine dieser Passagen, die im Wanderführer als „schwierig bei hohem Wasserstand“ beschrieben sind – und ich kann mir gut vorstellen, warum. Im Frühling soll der Pegel hier auf über 1,70 Meter steigen. Mit unseren vollgepackten Rucksäcken wäre das sicher problematisch geworden.

 

Heute aber haben wir Glück. Das Wasser reicht uns nur bis zu den Knien - kühl und klar, ein willkommener Kontrast zur Hitze der letzten Tage. Kurz darauf beschließen wir spontan, in einer der kleinen türkisblauen Badegumpen eine Pause einzulegen. Hier, im oberen und noch wilden Teil des Göynük Canyons, gibt es unzählige solcher natürlichen Pools. Versteckt zwischen Felsen und umgeben von blühenden Oleandern. Obwohl der Wasserstand niedrig ist, finden wir eine kleine Gumpe, die zum Eintauchen einlädt.

 

Badespaß und Hitze auf dem Lykischen Weg in der Türkei

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Die Erfrischung im Göynük Canyon tut so unglaublich gut. Ich hätte ewig in dieser Gumpe plantschen können.

Das Wasser ist eiskalt und unglaublich klar. Als ich hineingleite, zieht mir die Kälte kurz den Atem weg. Danach breitet sich pure Erfrischung in mir aus. Wir lassen uns treiben, lauschen dem Echo des Canyons, das von den Felswänden zurück hallt. Für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. Ich spüre, wie all die Anstrengung der letzten Tage von mir abfällt. Nur das leise Plätschern des Wassers, das Spiel des Lichts auf den Steinen, und das Gefühl, ganz im Moment zu sein. Danach wissen wir: Jetzt kann der Aufstieg kommen – hinauf zum Pass, dem letzten großen Anstieg unseres Abenteuers auf dem Lykischen Weg.

 

Mittlerweile ist es brutal heiß, die Sonne steht senkrecht über uns. Der Aufstieg zum Pass zieht sich endlos in die Länge, Meter für Meter über staubige Steine und lose Erde. Jeder Schritt verlangt Konzentration, jeder Atemzug fühlt sich schwer an. Der Schweiß läuft in Strömen und wir haben permanent Durst.

 

Der letzte Aufstieg – pure Erschöpfung

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Es geht kreuz und quer durch den Canyon, ehe es nochmals bergauf zum Pass geht.

Neben mir kämpft sich Annika, meine deutlich jüngere Wanderbegleiterin, tapfer den Hang hinauf. Sie bleibt kurz stehen, wischt sich über die Stirn und sagt mit belegter Stimme: Ich spüre, wie ich langsam keine Kraft mehr habe.“ Ich nicke. Mir geht es genauso. Irgendwie beruhigt mich das. Nicht, weil ich möchte, dass sie leidet – sondern weil es zeigt, dass diese Hitze selbst die Stärksten von uns fordert.

 

Schließlich erreichen wir den Pass - erschöpft aber auch total erleichtert. Und genau in diesem Moment kommen uns zwei französische Wanderinnen entgegen, leichtfüßig und noch voller Energie. Sie strahlen uns an und erzählen, dass heute ihr erster Tag auf dem Lykischen Weg ist. Fünf Etappen wollen sie gehen. Wir tauschen ein paar Worte aus, geben ihnen Tipps für ihre heutige Etappe. Besonders warnen wir sie davor, nach Göynük Yaylasi weiterzulaufen, da dort aktuell alles geschlossen ist – das hatten wir gestern schmerzlich erfahren. Ich hoffe, sie nehmen unsere Warnung ernst. Denn ohne Trinkwasser bei dieser Hitze nimmt das Abenteuer kein gutes Ende.

 

Der glühende Abstieg – völlige Dehydrierung beim Wandern

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Blick hinab in den Göynük Canyon. Im Juni, als wir unterwegs sind, ist das Wasser im Oberlauf nahezu ausgetrocknet.

Obwohl es ab jetzt nur noch bergab geht, spüre ich wie meine Kräfte schwinden. Die Hitze hat uns fest im Griff, gnadenlos und ohne Erbarmen. Jeder Schritt fühlt sich unglaublich schwer an. Unsere Augen brennen, obwohl wir Sonnenbrillen tragen. Die Luft, die wir einatmen ist heiß, fast schmerzhaft. Sie brennt auf den Lippen, trocknet die Kehle aus, während die Haut am ganzen Körper brennt.  Ich schwitze längst nicht mehr, mein Körper hat gefühlt aufgegeben zu reagieren. Es fühlt sich an als hätte ich permanent Fieber, als würde ich innerlich verbrennen. Neben mir kämpft sich Annika weiter. Sie klagt über einen seltsamen Druck auf den Ohren, als würde die Hitze selbst auf sie niederdrücken. Wir sprechen kaum noch ein Wort – jede spart ihre Energie für den nächsten Schritt, den nächsten Atemzug.

 

Dabei ist der Abstiegsweg wunderschön. Immer wieder öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei auf die umliegenden Berge, die in der flirrenden Mittagshitze schimmern. Es wäre ein Moment zum Innehalten, zum Staunen – doch wir können ihn kaum genießen. Zu sehr sind wir mit uns selbst beschäftigt, mit dem einzigen Wunsch, endlich am Ziel anzukommen.

 

Der verlassene Rucksack – ein Fund, der unter die Haut geht

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Unser trauriger Rucksackfund im Wald. Falls irgendjemand das hier ließt und weiß was passiert ist oder weiß wem die Sachen gehören - gerne melden.

Wir kommen auf eine kleine Lichtung, umgeben von Kiefern. Die Nadeln duften in der Sonne. Ein schöner Platz, denke ich – perfekt für eine kurze Rast. Doch dann bleibt mein Blick abrupt an etwas hängen. Mein Herz fängt schneller an zu schlagen. An der gegenüberliegenden Felswand lehnt ein Rucksack. 

 

„Scheiße“, sage ich leise. „Das ist sicher der Rucksack, den Alexej erwähnt hat.“

 

Wir rennen hinüber. Schon beim Näherkommen spüre ich, wie sich mir die Nackenhaare aufstellen. Alles liegt genauso da, wie auf dem Foto, das Alexej uns am Morgen gezeigt hatte: der Rucksack, daneben ordentlich aufgereiht ein paar Lebensmittel. Nichts bewegt, nichts verändert – als wäre die Zeit hier stehen geblieben.

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Hier muss etwas passiert sein.

 

Verschwunden auf dem Lykischen Weg?

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Trotz Schatten ist die Hitze heute wieder unerträglich und die Etappe zieht sich in die Länge.

Vorsichtig öffne ich den Rucksack, auf der Suche nach Hinweisen. Keine Geldbörse, kein Pass, kein Handy. Nur ein paar persönliche Dinge und ganz oben ein Bikini sowie ein Sport-BH. Annika und ich sehen uns an. Uns wird schlagartig klar: Es muss sich um eine Frau handeln.

 

Für einen Moment ist es still. Nur das Zirpen der Zikaden in der Hitze ist zu hören. Uns steigen Tränen in die Augen. Wir rufen immer wieder laut in den Wald hinein, in der Hoffnung, eine Stimme, ein Zeichen zu hören. Nichts. Nur das Echo unserer eigenen Rufe.

Ich klettere auf einen Felsen, um auf der anderen Seite hinunterzusehen. Annika ruft mir ängstlich hinterher: „Pass bloß auf, nicht dass dir auch noch was passiert!“ Ich kann kaum etwas erkennen – zu steil fällt das Gelände ab, dichter Bewuchs versperrt den Blick. Keine Spuren, keine Bewegung. Nur Stille.

  

Wir legen schließlich alle Gegenstände aus dem Rucksack sorgfältig auf den Boden, machen Fotos, tracken den Standort, um ihn später der Polizei zeigen zu können. Dann packen wir alles wieder ordentlich ein und lassen den Rucksack dort zurück, wo wir ihn gefunden haben. Als wir weitergehen, begleitet uns ein mulmiges Gefühl und die bedrückende Frage: was ist hier wohl geschehen?

 

Wir wollen nur noch ankommen - Durchhalten auf dem Lykischen Weg

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Die Aussicht auf das Gebirge ist wieder einmal fantastisch. Nur heute können wir es irgendwie nicht so richtig genießen.

Unsere Stimmung ist gedrückt, Nachdenklichkeit und Unruhe machen sich breit. Wir sind uns sicher, dieser Rucksack, diese Szene, das konnte kein Zufall sein. Da ist etwas passiert. Vielleicht ein Absturz, vielleicht ein Missgeschick - wir werden es vermutlich nie erfahren.

Wir reden leise darüber, wie es wohl gewesen sein könnte: Vielleicht war sie hier angekommen, hatte ihr Abendessen vorbereitet – das Essen lag ja noch ordentlich neben dem Rucksack. Wollte dann vielleicht noch den Sonnenuntergang von den Felsen aus fotografieren … und ist dabei abgestürzt. Wir wissen es nicht. Doch allein der Gedanke schnürt mir die Kehle zu. 

 

Die Sonne brennt weiter unerträglich auf uns herab. Unser Wasser geht zur Neige und jeder Schritt wird schwerer. Wir merken, wie erschöpft wir wirklich sind. Sogar das Sprechen fällt uns schwer – die Hitze raubt uns die Konzentration, die Worte stolpern. Alles, was wir wollen ist nur noch ankommen.

 

Erleichterung im türkisblauen Wasser – Ankommen im Göynük Canyon

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Endlich die ersehnte Abkühlung. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie wichtig diese war. Wir waren gefühlt kurz vor dem verglühen.

Und dann, endlich – der Moment auf den wir so lange gewartet haben: Vor uns öffnet sich der Göynük Canyon, das Wasser leuchtet in einem fast unwirklichen Türkis. Ohne nachzudenken reißen wir uns Schuhe, Shirts und Hosen vom Leib und springen direkt hinein.

Das Wasser ist angenehm kühl – eine absolute Erlösung. Ich spüre, wie das Wasser auf meinem heißen Körper förmlich zischt, so als würde es meinen überhitzten Körper dankbar abkühlen. Wir lachen, schreien, atmen tief. Das Wasser trägt uns, kühlt uns, heilt uns.

 

Wir treiben im türkisblauen Becken, das wir ganz für uns allein haben. Es fühlt sich an wie die Rettung in letzter Sekunde für unseren Körper. Hier im Wasser, mitten im Canyon, fällt alles von uns ab – die Erschöpfung, die Anspannung, sogar für kurze Zeit die Sorge um das, was wir gefunden haben. Nur dieser Moment zählt: Ankommen, atmen, leben.

 

Cola, Eis, Gözleme - Trubel im Göynük Canyon

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Der Unterlauf des Göynük Canyons wird touristisch genutzt. Hier gibt es Imbissbuden, Sonnenschirme und Liegen. Der Canyon kostet auch Eintritt.

Nun ist es nicht mehr weit bis zu unserem Etappenziel. Der Göynük Canyon verändert sich spürbar – der wilde, raue Charakter des oberen Abschnitts weicht einem gepflegten Weg, der für Touristen ausgebaut ist. Ein breiter Schotterweg führt entlang des Wassers,  in den aufgestauten Becken planschen Menschen, die den Canyon als Tagesausflug besuchen.

Im unteren Verlauf entdecken wir Sonnenschirme, Liegen, Verkaufsstände. Normalerweise muss man für den Göynük Canyon Eintritt zahlen, doch da wir vom oberen Wanderweg herabgestiegen sind, gelangen wir von hinten in den Canyon – Eintritt frei, sozusagen ein kleiner Bonus für all die Mühe der letzten Tage.

 

Ich kann jedem der den Lykischen Weg wandert nur raten: Wenn ihr hier baden wollt, macht es oben, dort wo der Wanderweg erstmals auf den Canyon trifft. Dort ist es noch ruhig, ursprünglich und deutlich leerer. Hier unten dagegen pulsiert das Leben – laut, bunt, geschäftig. Als wir am Eingangsbereich ankommen, riecht es nach Essen. Wir steuern direkt auf den ersten Imbiss zu, stürzen uns auf eine eiskalte Cola, die uns wiederbelebt. Danach folgen ein cremiges Eis und ein knuspriger Gözleme – alles schmeckt intensiver als sonst, unsere Belohnung für das Durchhalten.

Wir sitzen gierig nebeneinander und schlingen das Essen in uns rein. Um uns herum tobt das Leben: Familien mit Kindern, junge Paare, die in den Becken baden, Jugendliche die sich für das Zip-Line Abenteuer fertig machen.

Wir spüren eine tiefe Zufriedenheit, die nichts mit Unterhaltung oder Komfort zu tun hat. Wir blicken uns an und wissen: Wir haben etwas erlebt, was man nicht kaufen kann. Wir haben die Türkei nicht nur gesehen, sondern gespürt – in jedem Schritt, in jeder Schweißperle, in jedem Moment des Staunens, der Erschöpfung, den Begegnungen.

 

Ein Satz, der uns viel bedeutet

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Zuckerschock den wir echt bitter nötig haben.

Am Eingangsbereich des Göynük Canyons gehen wir direkt zum kleinen Info-Schalter. Der junge Mann dort begrüßt uns freundlich und wir erzählen ihm von unserem Fund des verlassenen Rucksacks. Er hört aufmerksam zu, nimmt alles ernst und als wir ihm die Fotos und die GPS-Koordinaten zeigen, nickt er sofort.

Ich informiere gleich die Polizei“, sagt er ruhig. Es ist ein kurzer Satz, aber er bedeutet uns viel. Wir hoffen inständig, dass die Frau, der dieser Rucksack gehört, irgendwie gefunden wird – auch wenn wir beide tief im Inneren spüren, dass das wahrscheinlich kein gutes Ende genommen hat.

 

In den darauffolgenden Tagen werden wir immer wieder im Internet nachsehen, ob es Neuigkeiten gibt, ob in den türkischen Medien vielleicht etwas über eine vermisste Wanderin steht. Doch wir finden nichts. Keine Spur, keine Meldung. Nur die Erinnerung an diesen stillen, seltsamen Moment bleibt – wie ein Schatten über dem letzten Abschnitt unserer Reise.

 

Abschied vom Lykischen Weg

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Die Farbe des Wassers im Göynük Canyon ist wirklich unglaublich schön. Ein wirklich toller Abschluss unseres Trekking-Abenteuers in der Türkei.

Als wir den Canyon schließlich verlassen, rufen wir uns ein Taxi. Der Gedanke die letzten Kilometer entlang der heißen, staubigen Straße zu gehen, erscheint uns absurd. Nach allem was wir erlebt haben, wäre das kein würdiges Ende gewesen.

  

Das Taxi rollt durch die Straßen von Göynük, vorbei an kleinen Geschäften, Obstständen und Palmen. Ich lehne mich zurück, schaue aus dem Fenster und lasse die letzten Tage Revue passieren. Der Lykische Weg war für Annika und mich definitiv ein außergewöhnliches Abenteuer, das uns zeigte, wie lebendig sich echtes Reisen anfühlt. Und vielleicht ist genau das der wahre Schatz dieser letzten Etappe.

 

Lykischer Weg - ein würdiger Abschluss

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 17 von Göynük Yaylasi nach Göynük)
Die Bungalows des "Woodline-Hotels" sind total nett und alle direkt am Pool. Hier lassen wir es uns den Rest des Tages gut gehen.

Über Google finden wir einen kleinen Campingplatz am Rande von Göynük, den wir spontan mit dem Taxi ansteuern. Eigentlich erwarten wir nicht viel, Hauptsache eine Dusche. Doch als wir ankommen trauen wir unseren Augen kaum: Ein wunderschöner, gepflegter Platz, Bäume ringsherum, ein blauer Pool in der Mitte. Für 50 Euro pro Nacht, inklusive Frühstück gibt es sogar einen Holzbungalow direkt am Wasser. Wir müssen nicht lange überlegen. Das hier ist genau das, was wir uns nach den letzten Tagen wünschen. Ein ruhiger Ort, ein Dach über dem Kopf und das Gefühl, wirklich angekommen zu sein.

 

Da das Häuschen noch gereinigt wird, setzen wir uns mit unseren Rucksäcken und Wanderstiefeln an den Pool des Woodline Hotels – ein Anblick, der vermutlich alle anderen Gäste schmunzeln lässt. Zwischen Flipflops und Sonnenhüten sitzen zwei staubige Wanderer, die aussehen, als wären sie gerade aus einer anderen Welt gekommen. Wir lehnen uns zurück, schließen die Augen und tun einfach mal nichts.

 

Lykischer Weg, du hast uns so viel gelehrt

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Sogar die Berge sehen wir von hier aus im Hintergrund. Ich bin sooooo dankbar, dieses Abenteuer erlebt zu haben.

Stolz mischt sich mit Wehmut. Wir haben den Lykischen Weg gemeinsam geschafft – alle Etappen, alle Höhen und Tiefen. In Gedanken sind wir bei Alexej, den beiden französischen Mädchen und der vermutlich vermissten Frau im Canyon. Wir hoffen, dass es ihnen allen gut geht.

Von Alexej hören wir tatsächlich in den nächsten Tagen immer wieder etwas. Wir schreiben über WhatsApp, schicken uns Fotos, kleine Lebenszeichen. Es tut gut zu wissen, dass es ihm gut geht, dass auch sein Weg weitergeht.

 

Am Abend sitzen Annika und ich auf unseren frisch gemachten Betten. Es ist der Moment in dem wir begreifen, dass das Ziel nicht nur am Ende des Weges liegt, sondern in jedem Schritt den wir gegangen sind. Diese letzte Etappe war kein Abschied - sie war ein leises DANKE an all das, was wir erlebt, gefühlt und über uns selbst gelernt haben.

 

Fotogalerie Etappe 17 des Lykischen Weg: von Göynük Yaylasi nach Göynük:

Den Übersichtsartikel mit Tipps und weiteren Infos zum Lykischen Weg findet ihr hier.

Ihr wollt die Tour auch gehen? Hier findet ihr den GPX-Track zur 17. Etappe des Lykischen Weg:

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