Lykischer Weg Etappe 16: von Gedelme nach Göynük Yaylasi

Zwei ausgedörrte Mädels mitten im Niemandsland – unsere emotional intensivste Etappe

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Wirklich paradiesisch wird es am Ende dann doch noch, soviel verrate ich schonmal :)

Unsere vorletzte Etappe hat es definitiv nochmals in sich, landschaftlich wie auch emotional. Von Gedelme geht es für uns über einen aussichtsreichen Gebirgskamm, der das Kemer- vom Göynük-Tal trennt. Normalerweise eine recht kurze Wanderetappe, die eigentlich in Göynük Yaylası endet, uns aber – ungeplant – noch ein gutes Stück weiterführt.

 

Die Hitze ist mal wieder erbarmungslos, unsere Wasservorräte schrumpfen schneller als geplant, wir verirren uns und gleich mehrere Campingplätze, auf die wir uns verlassen hatten, sind einfach geschlossen. On top kommt noch eine Google-Bewertung unseres Plan B Campingplatzes die sagt: „Frauen seid vorsichtig und macht einen großen Bogen um diesen Platz!“ – was bitte soll das heißen?

 

Unsere Nerven liegen blank. Und trotzdem: irgendwo in diesem Chaos mitten im Nirgendwo, wartet ein verstecktes Paradies auf uns.

Skurrile Frühstücksgespräche in Gedelme

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Eine wunderschöne Aussicht am Morgen, vom Caner Mountain Hotel in Gedelme.

Um 8 Uhr klingelt unser Wecker. "Guten Morgähhhhn", begrüßen Annika und ich mich. Wir haben mega gut geschlafen - das "Caner Mountain Hotel" hat uns beiden richtig gut getan. Keine bellenden Hunde, kein stickiges Zelt, frisch geduscht und jede ihr eigenes Bett mit Bettdecke - herrlich.

 

Um 9 Uhr geht's runter zum Frühstück. Wir haben all unsere Sachen bereits fertig gepackt und laufen mit unseren schweren Rucksäcken die Hoteltreppen hinunter. Mustafa, der redselige Kellner des Restaurants, der uns am Vorabend bereits mit einer Art Lebensbeichte die Zeit vertrieben hat, begrüßt uns freundlich. Wir bekommen ein großzügiges Frühstück bestehend aus Oliven, Omelett, Käse, Marmelade Gurken und Tomaten. Beim Auschecken übernimmt Google-Translate wieder die Moderation: „Kommen wir zu den Zahlungsmöglichkeiten“, redet die KI-Stimme aus Mustafas Handy. "Wenn ich der Chef wäre, hättet ihr nichts bezahlen müssen", schmeichelt er uns. Danach wird die Konversation etwas komisch. Er bzw. sein Handy redet von Schulden, Erbschaftsdramen und das er eigentlich ein reicher Mann sei, der nur notgedrungen kellnert. Annika und ich tauschen kurz Blicke aus, die sagen "jetzt ist es an der Zeit zu gehen". Wir füllen unsere 2 Liter Wasser pro Person auf, verabschieden uns herzlich von den Jungs und machen uns auf unsere vorletzte Etappe.

 

Wandern bei 40 Grad – zu spät los und direkt bereut

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Im Hintergrund sieht man noch das Dach unseres Hotels. Die Lage des Ortes ist echt toll.

Um 10:30 Uhr, was für uns ein relativ später Start ist, sind wir auf unserem Treck. Die heutige Etappe dauert laut Wanderführer nur ca. 3,5 Stunden. Von daher ist der späte Start kein Problem, denken wir beide noch top motiviert. Wenig später sieht die Welt schon wieder anders aus...aber dazu später mehr.

 

Direkt hinter der kleinen Moschee in Gedelme schlängelt sich ein schmaler Pfad in den Wald. Kurz sind wir etwas verwirrt, da zu den normalerweise rot/weißen Wegmarkierungen auf einmal weiß/grüne dazu kommen. Dieses Mal stimmt der GPX-Track auf unserem Handy und wir verlaufen uns nicht. 

 

Trinkwasser auf dem Lykischen Weg ist so eine Sache

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Stetig geht es bergauf. Eigentlich ein schöner Weg, doch unsere Köpfe brennen und die Beine sind schwer.

Wir verlassen den Wald, was echt schade ist, denn so sind wir der übermächtigen Sonnen ausgesetzt. Zwischen grünem Bewuchs zieht sich der Pfad nun stetig bergauf. Es ist gerade mal Vormittag und wir fühlen uns schon wie Dörrfrüchte auf zwei Beinen. Die Hitze steht zwischen den Büschen, es geht kein Lüftchen und die Sonne brennt auf unserer Haut. Der Blick auf die umliegenden Berge ist echt mega schön, doch irgendwie haben wir heute keinen Kopf dafür. "Ich bin schon komplett schlapp", sage ich müde zu Annika. "Meine Beine sind total schwer und ich bin voll lustlos". Es tröstet mich irgendwie, dass es Annika, die 16 Jahre jünger ist, genauso geht.

 

Unsere Trinkwasservorräte gehen schneller zur Neige, als uns lieb ist. Aufgrund der Hitze von an die 40 Grad kommen wir außerdem viel langsamer voran als sonst.

 

Heißer Asphalt und Gartenträume in den Bergen der Türkei

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Nur kurz geht es auf der Straße weiter, die komplett verlassen wirkt.

Irgendwann verpassen wir einen Abzweig und landen auf der Straße. Zum Glück nur ein Umweg von wenigen Metern, sind wir erleichtert. Der Asphalt auf dem wir kurz laufen müssen ist so heiß, dass er an manchen Stellen bereits flüssig wird und an unseren Schuhen kleben bleibt. Kein Mensch bei Verstand würde bei diesen Temperaturen wandern, denke ich. Aber hey – wir sind ja hier, um Abenteuer zu erleben, nicht um Vernunftpreise zu gewinnen ;-)

 

Wir kommen an kleinen Gartenhäuschen vorbei. Wow, was für eine traumhafte Lage mit Blick auf die Berge. Hier hätte ich auch gerne meinen Rückzugsort. "Ob es hier wohl irgendwelche Menschen gibt, die ein kühles Getränk haben?", frage ich hoffnungsvoll Annika. "Vielleicht werden wir ja irgendwo eingeladen", stellt sich Annika vor. Ein älterer Mann winkt uns tatsächlich heran und bietet uns einen schattigen Platz auf einer Bank in seinem Garten an. Trinken gibt’s leider keines. Während wir unsere Köpfe im Schatten etwas herunter kühlen, checke ich auf dem Handy die nächsten Trinkmöglichkeiten ab. "In ca. 2 Kilometer müsste laut Google ein Camingplatz kommen", sage ich zu Annika. "Auf den Fotos erkenne ich einen Kühlschrank mit Getränken drin", schwärme ich. Okay, solange müssen wir noch durchhalten.

 

Abstieg nach Göynük Yaylası – völlig dehydriert durch den duftenden Nadelwald

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Unsere Konzentration lässt aufgrund des Wassermangels langsam nach.

Wir verabschieden uns von dem netten Herren und machen uns weiter auf den Weg. Es geht nun abwärts steil durch einen duftenden Nadelwald. Eigentlich ist der Weg wunderschön. Hin und wieder ragen große Felsbrocken aus dem Waldboden und der schmale Pfad schlängelt sich quer durch den Wald. Aber unsere Konzentration ist sowas von am Ende. Wir sind müde, völlig dehydriert und haben gefühlt keine Reserven mehr.

 

Ich stöbere kurz nochmals unseren Wanderführer durch. "Hier steht auch geschrieben, dass es in Göynük Yaylası einen Campingplatz namens "Nadir" gibt", versuche ich Annika aufzuheitern. "Das ist der Gleiche, den auch Google als nächstgelegenen vorgeschlagen hat - der hat bestimmt dann auch offen".

Die Vorstellung eine eiskalte Cola zu zischen, gibt uns neuen Antrieb. Nicht mehr weit, dann haben wir es für heute geschafft.

 

Enttäuschung am Nadir Campingplatz – keine Cola, kein Wasser, kein Mensch

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Bittere Enttäuschung, als wir feststellen, dass der einzige Campingplatz weit und breit geschlossen hat.

Wir erreichen die kleine Siedlung Göynük Yaylasi mitten im Nirgendwo. An einem Zaun der mit einem Tor versehen ist, hängt ein Schild mit der Aufschrift "Lycian Way".

"Im Wanderführer steht, das man den Campingplatzbesitzer anrufen soll, damit dieser das Tor öffnet. Es soll wohl Wachhunde geben", lese ich Annika vor.

Naja, Hunde sind wir mittlerweile mehr als gewohnt. Wir treten durch das Tor und stehen wenig später auf der Beton-Terrasse des Nadir Campingplatzes. 

 

"Hier ist der Kühlschrank!", freuen wir uns beide überglücklich. Kurz darauf kommt die bittere Enttäuschung: er ist leer. Und nicht nur das - der komplette Camingplatz ist verlassen. Keine Menschenseele weit und breit. Wir klopfen an die Türe und Fenster. Laufen um das Haus herum, rufen, hoffen und jammern. Keiner da :-(

 Tatsächlich sind wir kurz vor dem Weinen. Annika hat mittlerweile ihren letzten Schluck Wasser getrunken. Ich selbst habe nur noch eine Notration, die auch nicht mehr all zu lange hält. Was machen wir denn nun??? Hier wollten wir eigentlich unsere Etappe beenden, schlafen, Essen, Trinken...

 

Gefährlicher Plan B: vor dem nächsten Campingplatz am Lykischen Weg wird gewarnt

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Wir befinden uns wirklich komplett im türkischen Hinterland, wie man unschwer erkennen kann.

Annika fragt mich: „Sollen wir Ali vom Riviera Restaurant anrufen und uns abholen lassen?“ Die Idee klingt verlockend, aber wie soll der hierher kommen? Es gibt keine richtigen Straßen und etwas aufdringlich war er ja auch irgendwie. Ich checke nochmals Google. Immerhin habe ich guten Empfang, stelle ich fest.

 

"Es gibt laut Karte ca. 2 Kilometer weiter noch einen zweiten Campingplatz namens „Doğa“. Klingt gut, oder?" sage ich mit beruhigender Stimme zu Annika. Die Beruhigung habe ich mittlerweile selbst nötig, denke ich.

Oh Shit, ich lese die massenhaften, wirklich alarmierenden Kommentare unter dem besagten Campingplatz: "unheimlicher Betreiber, gruselige Atmosphäre, Frauen sollten diesen Ort unbedingt meiden, warnt jede Frau, da ist ein Psycho und so weiter...“.

Na großartig, heute muss aber auch alles schief gehen.

 

Abstieg ins Göynük Tal

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Routiniert geht es über die Leiter. Mittlerweile haben wir Übung, mit den schweren Rucksäcke im Gleichgewicht zu bleiben.

Wir haben beide große Angst davor dort hin zu gehen. Aber was bleibt uns anderes übrig. Wir brauchen unbedingt heute und auch für die Etappe morgen Wasser. Auch zum kochen unserer Trekkingnahrung ist Wasser unerlässlich. Unser Plan ist folgender, sage ich zu Annika: "wir gehen da schnell hin, kaufen Wasser, treten selbstbewusst und distanziert auf, lassen uns in kein Gespräch verwickeln und gehen sofort wieder." 

 

Mit etwas weichen Knien verlassen wir Gönük Yaylası – ein Ort, der außer einem leeren Campingplatz nicht viel zu bieten hatte. Über eine wackelige Holzleiter klettern wir über einen Zaun und stehen kurz darauf wieder auf einem schmalen Waldpfad, der bergab führt. Unser Wanderführer warnt uns mal wieder mit den Worten: "nicht besonders gut markiert, stellenweise steil und rutschig“. Klingt ja vielversprechend...

 

Vom verlassenen Hochplateau ins nächste Abenteuer

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Der Fluss ist Anfang Juni hier im oberen Teil bereits fast ausgetrocknet.

Ich hoffe inständig, dass wir uns nicht schon wieder verlaufen. Tatsächlich läuft es besser als gedacht und wenig später stehen wir vor einem Fluss. Glück im Unglück: Die Hitze der letzten Tage hat dafür gesorgt, dass wir nicht – wie im Wanderführer angekündigt – durchs Wasser waten müssen. Stattdessen balancieren wir auf großen Steinen sicher über das trockene Flussbett.

 

Ein großer Stein mit deutscher Aufschrift erregt unsere Aufmerksamkeit: „Achtung Skorpione!“. Ganz ehrlich, das hätte ich jetzt nicht gebraucht. Wir schauen uns an – beide leicht panisch. Was, wenn hier wirklich etwas passiert? Meilenweit ist hier niemand und ganz bestimmt kein Arzt oder Krankenhaus. Innerlich bete ich, dass wir hier unbeschadet durchkommen.

 

Jetzt ist es mir dann doch zu viel Abenteuer ;-)

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Ganz ehrlich: ich mag dich nicht sehen lieber Skorpion.

Natürlich kommt es dann, wie es kommen muss: Wir verlaufen uns wieder. Hier im Flusstal ist die Markierung wirklich schlecht. Ich höre noch die warnenden Worte von Ilker, dem türkischen Wanderguide, den wir vor ein paar Tagen getroffen haben: „Im Göynük-Canyon verirren sich viele – geht da besser nicht hin.“ Danke Ilker, hätten wir bloß auf dich gehört, denke ich kurz.

 

Wir kämpfen uns durchs Gestrüpp, laut GPS sind wir eigentlich auf dem Weg, aber in der Realität sieht es nach Wildnis und Orientierungslosigkeit aus. Unsere Nerven? Komplett blank.

 

Und wieder ist niemand da - Lykischer Weg Hilfe!!!

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Es könnte so schön sein, wenn wir Wasser und einen sicheren Schlafplatz hätten.

Endlich landen wir wieder auf einem erkennbaren Pfad. Die Stimmung hellt sich auf, und kurze Zeit später erreichen wir den ersten der zwei anvisierten Campingplätze (der laut Google-Kommentare mit dem Psycho-Besitzer). Der Platz ist eingezäunt, dahinter bellen zwei Hunde. Wir sehen niemanden. Ein Roller steht etwas weiter hinten. Es wirkt nicht wirklich verlassen, aber es ist definitiv niemand da. Die Hunde sind nicht aggressiv – und offensichtlich gut versorgt.

 

In Sichtweite erkennen wir bereits den nächsten Campingplatz, den ich zuvor über Google gefunden hatte und den wir als Übernachtungsplatz eingeplant hatten. Doch wir haben ein riesiges Problem: Wir haben seit langem kein Wasser mehr und es ist immer noch brüllend heiß. In mir steigt Panik auf – was machen wir jetzt? Wenn der nächste Campingplatz ebenfalls zu hat, kommt keiner mehr.

Unsere Notlösung wäre, bis zum Göynük-Canyon weiterzulaufen. Dort könnten wir Wasser aus dem Fluss filtern. Aber das wäre noch ein weiter Weg und vor allem wollten wir dort auf keinen Fall (unter anderem wegen der Skorpion-Warnung) übernachten. Die Vorstellung, heute noch weiter durch diese Hitze zu müssen, ist einfach grausam.

 

Ein verstecktes Paradies in der türkischen Bergwelt

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Ist er nicht wunderschön dieser Brunnen! Für uns war es der SCHÖNSTE Brunnen ever :-)

Durstig gehen wir also weiter zum zweiten Campingplatz namens „Exolykia“. Die Lage ist traumhaft schön, doch schmerzlich stellen wir fest: es ist wieder keiner da.

 

Doch dann entdecken wir es – das absolute Highlight des Tages: ein Brunnen. Und was für einer! Umgeben von einer atemberaubenden Bergsicht, vielleicht sogar der schönsten auf dem ganzen Lykischen Weg.

Wir werfen unsere Rucksäcke ab, suchen unseren Wasserfilter und exen erstmal fast einen Liter weg. „Das ist das beste Wasser überhaupt!“, sagen wir gleichzeitig. Es fühlt sich an wie eine Belohnung nach einem chaotischen, heißen, nervenzehrenden Tag.

 

Wir sind sofort begeistert. Der Platz ist paradiesisch, ruhig, abgelegen und wir haben ihn ganz für uns alleine. Okay, zugegebenermaßen habe ich mir schon gewünscht, dass der Campingplatz hier offen hat. Die Bewertungen, vor allem auch die über das Essen waren mega gut gewesen. Ich hatte mich sooooo sehr auf einen leckeren Gözleme und eine Cola gefreut. Aber egal jetzt, Hauptsache wir haben Wasser und einen sicheren Schlafplatz. Ob er sicher ist, werden wir noch sehen, denn der Campingplatz des angeblichen Psychopathen ist immer noch in Sichtweite.

 

Campingplätze am Lykischen Weg

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Hier zu sehen, der wunderschöne Campingplatz "Exolikya". In der Ferne erkennt man das Haus des "Doga" Campingplatzes, vor dem uns auf Google gewarnt wurde.

Zur besseren Einordnung: Diese Campingplätze hier am Lykischen Weg sind nicht vergleichbar mit denen in Europa. Keine Rezeption, keine Straße, keine Sanitären Anlagen, keine geschlossenen Räume. Nur ein großer Unterstand mit Bänken, einem Stehklo mit einem Wasserschlauch und eine notdürftig zusammengebaute Mini-Küche, die in unserem Fall abgeschlossen war.

  

Wir sind Anfang Juni hier unterwegs, also eigentlich mitten in der Saison. Ich vermute, dass wegen der extremen Hitzewelle momentan keine Wanderer unterwegs sind und es sich einfach nicht lohnt, den Betrieb der Campingplätze aufrechtzuerhalten. Deswegen sind vermutlich alle zu.

 

Zelt aufbauen mit Plan – Sicherheit geht vor

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
So schön die Natur hier auch ist, passieren sollte nichts, denn wir sind mutterseelenallein.

Lass uns das Zelt so aufbauen, dass man unsere Stirnlampen von dort drüben nicht sehen kann“, schlage ich Annika vor. Wir platzieren unser Zelt also im richtigen Winkel, bauen alles auf, solange noch etwas Licht vorhanden ist – und hoffen einfach, dass in der Nacht nichts Unvorhergesehenes passiert.

 

Wir haben hier nicht einmal Empfang, stelle ich etwas verängstigt fest. Keiner weiß also, wo wir sind, sollte uns irgendetwas passieren. Naja, wirklich tun hätte eh keiner was können. Aber irgendwie hätte es mich glaube ich beruhig, wenn ich gewusst hätte, das unsere Handys funktionieren.

 

Abendessen mit Bergblick

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Yam yam, das Abendessen haben wir uns wirklich verdient finde ich.

So langsam beruhigen sich unsere Nerven von den vergangenen Strapazen und das Hungergefühl stellt sich ein. "Lass uns Wasser kochen und unser Trekkingessen zubereiten", sage ich hungrig. Ich schließe die Gaskartusche an den Kocher an, drehe auf, zünde ihn an und nichts passiert. "Oh neeee, was ist denn das jetzt?!", fluche ich. Irgendwie scheint das Teil auf einmal verstopft zu sein. Es kommt kein Gas mehr raus, obwohl noch was drin ist. Nach mehrmaligem herumschrauben zischt es dann endlich und die Flammen züngeln.

 

Wir genießen unser Essen auf den gemütlichen Holzbänken mit einem traumhaften Panoramablick. Fast schon irgendwie kitschig - genauso lieben wir's. 

 

Begegnung in der Einsamkeit – ein unerwarteter Wanderfreund

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Wir sind super happy, das Alexej zu uns gestoßen ist. Das Foto ist übrigens morgens am nächsten Tag aufgenommen.

Es ist 18:30 Uhr, wir sind satt, das Zelt steht, der Abendwind weht – endlich ein Moment zum Durchatmen. Da taucht plötzlich ein Wanderer aus der entgegengesetzten Richtung auf. Er läuft den Hang hinauf, alleine, schmächtig gebaut mit einem großen Trekkingrucksack auf dem Rücken. Als er uns entdeckt, grüßt er freundlich: „Alexej ist mein Name“, sagt er auf englisch zu uns.

 

Alexej ist uns von Anfang an sympathisch. Annika zwinkert mir zu: „Er trägt einen Ehering, das ist ein gutes Zeichen.“ Ich muss grinsen. Kurze Zeit später fragt er uns sichtbar schüchtern: "ist es für euch okay wenn ich auch hier schlafe?"

"Ja klar", sagen wir beide zeitgleich. Tatsächlich sind wir sogar mega erleichtert, dass wir nicht allein in dieser abgelegenen Gegend schlafen müssen.

 

Geschichten und neue Wander-Freundschaften

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Auf dem Campingplatz gibt es überall solche selbst gebauten Liegen. Voll schön, hier die Beine hoch zu legen und die Stille zu genießen.

Nachdem Alexej sein Zelt aufgebaut hat (nicht besonders routiniert wie wir feststellen), quatschen wir noch lange zusammen. Wir sitzen zu dritt auf den Holzbänken, erzählen, lachen, tauschen Geschichten aus. Alexej kommt aus Russland und ist heute die 1. Etappe auf dem Lykischen Weg unterwegs. Da wir bereits nahezu den ganzen Weg gewandert sind, ist er über unsere Tipps sehr dankbar. "Ich zelte heute das erste Mal seit meiner Jugend", gesteht er uns. Wir müssen beide lachen, als wir ihm mit zwinkerndem Auge sagen, dass sein Zeltaufbau etwas optimierungsbedürftig ist ;-).

 

Für ihn ist der Lykische Weg ebenfalls ein großes Abenteuer. Er ist zum allerersten Mal komplett alleine unterwegs und hat davor auch ziemlich Respekt. "Wie lange warst du heute unterwegs", möchte ich von ihm wissen. Denn seine heutige Etappe wird unsere morgige Etappe sein. "Über 10 Stunden", sagt er. Oh je, schauen Annika und ich mich an. Da müssen wir auf jeden Fall sehr früh starten.

 

Friedlich verbringen wir unsere letzte Nacht auf dem Lykischen Weg

Mehrtagestrekking auf dem Lykischen Weg in der Türkei - wandern fernab der Zivilisation in einer traumhaften Landschaft umgeben von Meer, Klippen und Bergen. (hier: Etappe 16 von Gedelme nach Göynük Yaylasi)
Eine wunderschöne Abendstimmung, an unserem letzten Abend auf dem Lykischen Weg.

Kurz bevor wir ins Zelt schlüpfen, kommt mir eine Idee: „Da hinten bei der Toilette ist doch ein Wasserschlauch – vielleicht können wir da irgendwie duschen?“ Wir haben heute alle so extrem geschwitzt, das wir über die erfrischende Dusche echt froh sind.

Alexej ist total rücksichtsvoll. „Ich gehe da hinten spazieren, damit ihr in Ruhe duschen könnt.“ Obwohl der Wasserschlauch weit genug weg ist, möchte er einfach, das wir uns wohl und uns nicht durch ihn in irgendeiner Weise beobachtet fühlen. Wirklich so ein lieber Mensch, denke ich mir.

 

"Weckt mich unbedingt, wenn ihr morgen früh aufsteht. Ich möchte euch auf jeden Fall noch zu einem Kaffee einladen, bevor ihr geht", das war ihm noch wichtig zu sagen. Wir haben da auch noch was auf dem Herzen und erzählen ihm von dem Spooky-Campingplatz weiter oben. Er ist sichtlich schockiert: „Wenn heute Nacht was ist, ruft sofort, ich komme“, sagt er bestimmt. Tatsächlich beruhigt uns das etwas.

 

Es ist mittlerweile 21:30 Uhr und immer noch 30 Grad heiß. Die umliegenden Berghänge sind in ein rötlich-violettes Licht getaucht. Annika und ich kuscheln uns zum letzten Mal in unser kleines Zelt. "Ich finde es selbst bei 30 Grad hier drin sooooo gemütlich", lacht Annika. 

Was für ein Tag und was für ein wunderschöner letzter Abend auf dem Lykischen Weg, denken wir beide und schlafen friedlich ein.

Fotogalerie Etappe 16 des Lykischen Weg: von Gedelme nach Gönyk Yaylasi:

Den Übersichtsartikel mit Tipps und weiteren Infos zum Lykischen Weg findet ihr hier.

Ihr wollt die Tour auch gehen? Hier findet ihr den GPX-Track zur 16. Etappe des Lykischen Weg:

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Puls der Freiheit Newsletter

Facebook

Instagram

Inhalte von Powr.io werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell und Marketing), um den Cookie-Richtlinien von Powr.io zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Powr.io-Datenschutzerklärung.